Die Vogelgrippe - eine Übersicht

Entstehung und Verbreitung der Vogelgrippe H5N1

Um die aktuelle Expertendiskussion zur weltweiten Ausbreitung des Vogelgrippevirus zu verstehen, sollte man ein paar grundlegende Fakten über das Grippevirus (Influenza) kennen. Grundsätzlich kommt das Influenza-Virus sowohl im Tierreich als auch beim Menschen vor. Wir unterscheiden drei Typen: 

  • Influenza-A-Virus: häufigster Typ; infiziert sowohl Menschen wie auch Tiere, verursacht starke Krankheitserscheinungen mit möglicherweise schweren Komplikationen. Verursacht alle drei bis fünf Jahre regionale Epidemien durch neue Virusvarianten.
  • Influenza-B-Virus: Vorkommen nur beim Menschen, häufig auch bei Säuglingen und Kleinkindern, milderer Krankheitsverlauf, regionale Epidemien alle drei bis fünf Jahre.
  • Influenza-C-Virus: geringe Bedeutung für den Menschen, geringe Krankheitszeichen.

Das Influenzavirus enthält zwei Eiweißbestandteile die für die Verbreitung des Erregers von besonderer Bedeutung sind. Es handelt sich um das Enzym Hämagglutinin (H),das die Anhaftung des Virus an Rezeptoren der Atemwegsschleimhäute erleichtert und die Neuraminidase (N), die die Freisetzung neu gebildeter Viren bewirkt. Diese beiden Eiweiße sind auch die Hauptantigene der Influenzaoberfläche und damit für die Immunantwort des infizierten Körpers verantwortlich. Daher werden die Subtypen des Influenza-A-Virus nach diesen beiden Antigenen H und N nummeriert. Bis heute kennt man beim Menschen 3 H- und 2 N-Antigene, im Tierreich dagegen 13 H- und 9 N-Antigene. Kommt es zu einem Zusammentreffen tierischer und menschlicher Influenzaviren, können sie sich vermischen und in neuen Konstellationen auftreten. Im Falle der Beimischung von (für den Menschen bislang unbekannten) tierischen H- und N-Antigenen existiert noch keine menschliche Immunantwort. Dieser sogenannteAntigenshift, hat im vergangenen Jahrhundert zu drei großflächigen und folgenschweren Influenzawellen geführt. Diese sogenannten Pandemieen werden im Durchschnitt alle 30 Jahre erwartet.

Beispiele für schwere Influenza Pandemien mit Millionen Todesfällen waren:
1918 die Spanische Grippe (H1 N1)
1957 die asiatische Grippe (H2 N2)
1968 die Hongkong Grippe (H3 N2).

Merke: durch die Fähigkeit des Influenzavirus seine Oberfläche immer wieder zu verändern und mit den Influenzaviren des Tierreiches (z.B. Schwein, Pferd, Vögel) zu vermischen, können immer wieder neue Influenzatypen entstehen, die die vorhandenen Antikörper des menschlichen Immunsystems raffiniert umgehen.

Die Vogelgrippe

Seit 1997 grassiert in Südostasien in wiederkehrenden Infektionswellen der Vogelgrippeerreger unter Hühnern, Enten und Gänsen. Der Virus der Vogelgrippe ist ein Influenza-A-Virus vom Typ H5N1. Dieser Influenzatyp ist beim Menschen bislang unbekannt. Durch den engen Kontakt zwischen dem Geflügel und den Menschen in Ostasien gab es bislang 112 Vogelgrippeerkrankungen beim Menschen. 57 dieser Krankheitsfälle endeten tödlich (d.h. Sterblichkeit: 50%). Der Vogelgrippeerreger breitete sich in den letzten Jahren von Thailand, Vietnam, Malaysia in Richtung China und seit 2005 nach Kasachstan, Russland und jüngst Osteuropa (Rumänien und Türkei) aus.

Aufgrund der unterschiedlichen Lebensweisen ist eine direkte Infektion von Geflügel oder Wildvögeln auf den Menschen in Europa weniger wahrscheinlich. Das Garen tierischer Produkte über 60° vor dem Verzehr tötet den Influenzaerreger sicher ab. 
Viel gefährlicher wäre die Vermischung des Vogelgrippeerregers H5 N1 mit einem üblichen Influenza-A-Virus des Menschen. Eine solche Neumutation des Influenzavirus würde sich über die übliche Tröpfcheninfektion grippaler Infekte rasend schnell ausbreiten und auf ein vollkommen unvorbereitetes menschliches Immunsystem treffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält eine solche neue schwere Influenza-Pandemie 37 Jahre nach der Hongkong-Grippe für zunehmend wahrscheinlich.

 

Krankheitszeichen und Diagnostik

Krankheitszeichen der Vogelgrippe

Die Symptome der Vogelgrippe gleichen denen der bekannten Influenza. Typisch ist:

  • plötzlicher akuter Krankheitsbeginn
  • hohes bis sehr hohes Fieber
  • starkes Krankheitsgefühl mit Kopf- und Gliederschmerzen, extremer Schwäche, Appetitlosigkeit
  • Husten oder Atemnot
  • besonders bei Kindern auch Magen- und Darmbeschwerden
  • bei Säuglingen und Kleinkindern: schwere Atemwegsinfektionen, häufig mit Atemnot.

Diagnose der Vogelgrippe

Ein Verdacht für Vogelgrippe ist gegeben, wenn neben den oben genannten Symptomen innerhalb einer Woche vor Ausbruch der Krankheit:

  • ein Kontakt zu Tieren (Geflügel, Wildvögel) aus einem betroffenen Gebiet
  • ein Aufenthalt auf einer betroffenen Geflügel- oder Schweinefarm
  • ein direkter Kontakt zu einem an Vogelgrippe erkrankten Menschen
    bestanden hat.

Im Verdachtsfalle ist ein Nasen- oder Rachenabstrich für einen Influenza-A-Schnelltest (ELISA) vorzunehmen. Anschließend wird der Abstrich mittels einer PCR-Untersuchung im Labor exakt typisiert. Nachgewiesene Influenza-A-Fälle sind dem Gesundheitsamt gemäß §7 IfSG zu melden.

Therapie

Es gibt moderne, hochwirksame Neuraminidasehemmer (Tamiflu, Relenza), die über die Zerstörung des Neuraminidaseenzyms die Influenza-Infektionen effektiv therapieren. Wichtig ist, das Medikament innerhalb von 24 Stunden nach Krankheitsausbruch rechtzeitig einzunehmen. Ein zu später Therapiebeginn macht die Behandlung wirkungslos. Beachten Sie andererseits, dass diese Medikamente nur bei Influenzaviren wirksam sind, gegen die anderen Erreger grippaler Infekte zeigen sie keinerlei Effekt.

Vorbeugung

Neuraminidasehemmer können den Ausbruch einer Influenza-Infektion vorbeugen. Ein verbreiteter vorbeugender Einsatz wird aber rasch zu einer Resistenzbildung des Influenzavirus führen. Erste Fälle von therapieresistenten Vogelgrippeerregern werden aktuell aus Asien gemeldet. Von einem massenhaften Einsatz ist daher dringendst abzuraten.
Einen Impfstoff gegen den Vogelgrippeerreger H5N1 gibt es in Europa derzeit noch nicht. Andererseits wird eine Grippeschutzimpfung empfohlen, um die Immunitätslage des Körpers zu verbessern. Die Verhinderung eines Ausbruches der humanen Grippewelle könnte zudem einer Neumutation des gängigen Influenzavirus mit dem Vogelgrippeerreger vorbeugen.